T 16

Werckmeister  I

Wilhelm Dupont: Geschichte der musikalischen Temperatur, 1935

Nach Dupont gibt Werckmeister "zu den nach seiner Meinung wichtigsten Stimmungsarten an erster Stelle die natürlich-harmonische Skala an, an zweiter die mitteltönige Temperatur, ferner vier verschiedene brauchbare Temperaturen". (Seite 78/79)

Dieses erklärt die unterschiedliche Zählweise der Werckmeister-Temperaturen, denn sowohl die erste, die natürlich-harmonische (siehe T 25) als auch die zweite, mitteltönige (siehe T 60) sind nach dieser Zählweise keine originären Werckmeister-Stimmungsarten.

Somit ist „zunächst (Nr.3) seine wichtigste, welche unter dem Namen >Werckmeisterische Temperatur< bekannt und verbreitet wurde; dann (Nr. 4) diejenige, welche er schon 10 Jahre vorher in seiner Orgelprobe angegeben hatte, schließlich Nr. 5 und 6 zwei Temperaturen, die >in praxi so richtig / dasz man wohl damit zufrieden sein kan< ... Der Kern der Werckmeisterschen Temperatur ist, dass das pythagoreische Komma in vier gleiche Teile zerlegt wird, indem die Quinten c-g, g-d, d-a und h-fis/ges um ein viertel Komma kleiner gemacht werden:

 

C

 

CIS

 

D

 

DIS

 

E

 

F

 

FIS

 

G

 

GIS

 

A

 

B

 

H

 

c

0

 

90

 

192

 

294

 

390

 

498

 

588

 

696

 

792

 

888

 

996

 

1092

 

1200

 

90

 

102

 

102

 

90

 

108

 

90

 

108

 

96

 

96

 

108

 

96

 

108

 

 

Es sind in dieser Temperatur alle Quinten bis auf die genannten vier rein. Die temperierten sind nicht schlechter als diejenigen der mitteltönigen Temperatur (Unterschied 1 Cent).“ (Seite 79)

In Werckmeisters Temperatur sind alle großen Terzen etwas schärfer gemacht und sämtliche kleinen Terzen etwas abgestumpft worden." (Seite 78/79)

Feststellung der Quintengrößen aus den gegebenen Zahlen (Zahlen in Cent):

                gegebene Zahlen  Quinte   Rück-
                                        oktavierung

                    (f)   498  +  702  -  1200 =    0  (c)
                    (b)   996  +  702  -  1200 =  498  (f)
                  (dis)   294  +  702          =  996  (b)
                  (gis)   792  +  702  -  1200 =  294  (es)
                  (cis)    90  +  702          =  792  (gis)
                  (fis)   588  +  702  -  1200 =   90  (cis)
                    (h)  1092  +  696  -  1200 =  588  (fis)
                    (e)   390  +  702          = 1092  (h)
                    (a)   888  +  702  -  1200 =  390  (e)
                    (d)   192  +  696          =  888  (a)
                    (g)   696  +  696  -  1200 =  192  (d)
                    (c)     0  +  696          =  696  (g)

Bei der Erweiterung der bei Dupont gegebenen Zahlen zu Kommateilen, mit welchen die Skalen berechnet sind, wurde darauf geachtet, dass dabei die Kommateilung übersichtlich blieb. Für die zwölf im Quintenzirkel aufeinander folgenden Quinten folgt daraus (Zahlen in cent):

        gegebene         erweiterte Zahlen   reine Quinte    Kommateil
          Quinte   Änderung

   f - c    702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
   b - f    702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
  es - b    702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
 gis - es   702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
 cis - gis  702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
 fis - cis  702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
   h - fis  696   + 0 090  =   696.090    =   701.9550  -  5.865  (1/4 pK)
   e - h    702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
   a - e    702   - 0.045  =   701.955    =   701.9550 +/- 0.0     ------
   d - a    696   + 0 090  =   696.090    =   701.9550  -  5.865  (1/4 pK)
   g - d    696   + 0 090  =   696.090    =   701.9550  -  5.865  (1/4 pK)
   c - g    696   + 0 090  =   696.090    =   701.9550  -  5.865  (1/4 pK)

Mit der Kompensierung des pythagoreischen Kommas in der diatonischen Hälfte des Quintenzirkels bzw. an der Grenze zur chromatischen Hälfte und den übrigen reinen Quinten gehört die Temperatur "Werckmeister I" zum "Stimmtyp wohltemperiert".

 

Herbert Anton Kellner: Wie stimme ich selbst mein Cembalo, 1979

Unter dem Titel "Die Temperatur Werckmeister III" leitet Kellner eine Stimmanweisung ein (Seite 37): "Wird deren Beschreibung (diese stammt aus einer Schrift Andreas Werckmeisters von 1691) ganz praktisch angepackt, indem man sich nicht um Widersprüche und Ungenauigkeiten kümmert, so verbleibt folgendes: Die wohltemperierte Stimmung Werckmeister III hat acht reine und vier unterschwebende Quinten ... Drei der unterschwebenden Quinten folgen einander auf c: c-g-d-a ... die letzte unterschwebende Quint (ist) h-fis ... Von den verschiedenen Temperaturen ist Num. III die beste und hat die weiteste Verbreitung erfahren."

Kernpunkt in Kellners Stimmanweisung, mit 22 Schritten in einer "Stimmtabelle für Werckmeister III" ausgeführt, ist die Vierteilung der Großterz c-e: Die Tonstufe e wird von c aus mit acht absteigenden reinen 3/2-Quintenschritten über die Tonstufen f, b, es, as, des, ges sowie die später noch umzustimmenden Tonstufen ces und fes erreicht. Die Großterz c - fes/e wird unter Verwendung von Tonschwebungs-Verhältnissen in vier gleiche Quinten unterteilt. Auf das von Kellner im Abschnitt "Das Temperieren von vier gleichen Quinten in eine Terz als allgemeine Grundaufgabe" (Seite 26) genannte Probierverfahren für die Stimmpraxis wird hier nicht weiter eingegangen.

Kellner nennt die mit diesem Verfahren entstehenden, je um 1/4 des pythagoreischen Kommas verminderten unterschwebenden Tonintervalle „Werckmeistersche wohltemperierte Quinten“ im Unterschied zu den "mitteltönigen Quinten":

Vier "mitteltönige" füllen eine 5/4-reine Terz aus, somit hat jede dieser Quinten die Größe von 51/4  = 1.495348781 oder 696,5785 Cent (siehe "Großterz-Mitteltönigkeit, T 60).             Bei der Berechnung der "Werckmeisterschen" bleiben acht der zwölf Quinten im Zirkel rein, die verbleibenden vier Quinten (in diesem Fall c-g-d-a und h-fis/ges) werden je um 1/4 des pythagoreischen Kommas verkleinert: Die Quintengröße berechnet sich aus „reine Quinte“ minus 1/4 pK:      3/2 : 312/4/219/4 = 3/2 x 24x23/4/33 = 8x23/4/9 = 1.49492696 oder 696.090 cent.

Diese musikalische Temperatur gehört zum "Stimmtyp wohltemperiert", weil die Verminderung der Quinten in der diatonischen Hälfte des Quinten geschieht, während die Quinten im chromatischen Teil unverändert rein geblieben sind.

Helmut K.H. Lange:

Ein Beitrag zur Musikalischen Temperatur der Musikinstrumente, 1968

Unter der Überschrift "Die Werckmeister-Stimmung" definiert Lange (Seite 485): „Die vier Quinten C-G-D-A unf H-Fis sind um ein Viertel des pythagoreischen Kommas zu eng ... Georg Andreas Sorge verteilt ... ein Viertel des pythagoreischen Kommas auf die vier Quinten C-G-D-A-E. Vergleicht man mit Werckmeister, ... (wurden) lediglich die Werte der Quinten A-E und H-Fis miteinander vertauscht.“ Außer dieser Textbeschreibung nennt Lange eine Tabelle, bezeichnet als "Werckmeister 1691-1/4 pyth.Komma" mit genauen Cent-Zahlen. (Seite 495) 

Martin Vogel: Die Lehre von den Tonbeziehungen, 1975

Vogel stellt einen direkten Bezug zwischen "Werckmeister III" (so nennt Vogel die Temperatur, die bei Dupont "Werckmeister I" heißt) und "Kirnberger III" her:

               ges    des      as     es       b       f        c       g       d       a      e       h   /   ges

                    3/2    3/2    3/2    3/2    3/2    3/2    MQ  MQ  MQ   3/2   3/2    MQ

"Bei Vernachlässigung des Schismas ist Kirnberger III eine Quint-Stimmung von fes bis a, bei der das Komma von den letzte vier Quinten abgezogen wird (c bis fes/e) ... Kirnberger 1779 in der dritten Fassung ... unterscheidet sich von Werckmeister nur noch in der Lage der 4. mitteltönigen Quinte. Bei Werckmeister III liegt sie zwischen h und fis/ges, bei Kirnberger liegt sie zwischen a und e." (Seite 236)

Die Vernachlässigung des Schismas bedeutet, dass nicht das 81/80-syntonische Komma sondern das 312/219-pythagoreische Komma gevierteilt wird. Die um 23.460/4 = 5.865cent geminderte und somit 696.090 cent große Quinte nennt Vogel „MQ“ (Mitteltönige Quinte)

Hans-Joachim Schugk:

Praxis barocker Stimmungen und ihre theoretischen Grundlagen, 1980

Schugk beschreibt (Seite 45) eine Entwicklung von der pythagoreischen Stimmung (mit ungeteilter Kompensierung des pythagoreischen Kommas in einer einzigen Quinte des Quintenzirkels) zur gleichschwebend temperierten Stimmung durch zunehmende Teilung des pythagoreischen Kommas in (zwei, drei ... bis zwölf) gleiche Teile.

Unter der Überschrift: „Die Vierteilung: Werckmeister III (1691)“ beschreibt Schugk (Seite 45) die von Dupont angegebene Temperatur „Werckmeister I“: "Die Werckmeister III-Stimmung teilt das Pythagoreische Komma auf vier Quinten im Zirkel folgendermaßen auf: C-G-D-A und H-Fis, alle acht restlichen Quinten bleiben rein."

Auch die Darstellung bei Schugk im Tabellenteil weist aus, dass das pythagoreische Komma gleichmäßig auf vier Quinten verteilt wird, die drei Quinten im diatonischen Teil des Quintenzirkels und die anschließende Quinte h-fis, während die Quinten a-e-h und die restlichen sechs Quinten im chromatischen Teil des Zirkels rein bleiben.

Die Größe der Quintenverminderung beträgt 1/4 pK = 27 / 16 x 23/4 oder 5.865 cent, die Göße der verminderten Quinte (Werckmeisterquinte) beträgt  8 x 23/4 / 9  oder  696.090 cent.

 

Franz Josef Ratte: Temperierungspraktiken im süddeutschen Orgelbau, 1990

Ratte zeigt für die Temperatur "Andreas Werckmeister I, 1681,1691" außer diversen Intervalltabellen ein Quint-Terz-Diagramm (Seite 414) "zur graphischen Veranschaulichung von Stimmungssystemen zwecks besserer Vergleichsmöglichkeiten" (Text Seite 391).

Im Text beschreibt Lange >Die Werckmeister-Stimmung< (Seite 485): "Die vier Quinten C-G-D-A und H-Fis sind um ein Viertel des pythagoreischen Kommas zu eng.
Als Stimm-Schema gibt Kelletat (Zur musikalischen Temperatur insbesondere bei Johann Sebastian Bach, Kassel, 1960, Seite 29) an, dass die drei Quinten C-G-D-A >mitteltönig< seien, wodurch sich H-Fis als unterschwebende mitteltönige Quinte von selber ergeben würde."

Eine Tabelle, bezeichnet als "Werckmeister  1691  1/4 pyth.Komma" nennt die mit drei Dezimalstellen genauen Cent-Zahlen für alle Tonstufen. (Seite 495)

Bernhard Billeter: Anweisung zum Stimmen von Tasteninstrumenten, 1979

Billeter betont wiederholt, „dass diese Tabellen nur für die praktische Stimmarbeit aufgestellt sind, nicht für die theoretische Berechnung ...“, lediglich zum Vergleich mit den übrigen in dieser Studie genannten musikalischen Temperaturen und Stimmungen sind sie dennoch wie alle anderen aufgearbeitet.

Billeter nennt die "Werckmeister-Stimmung" mit dieser Intervallverteilung, deren Stimmschema er auf Seite 25 und deren ganzzahlige Cent-Tabelle auf Seite 37 angibt: "Werckmeister 3".

Manfred Tessmer: Wie war Bachs Wohltemperirtes Clavier gestimmt?, 1994

Tessmer hat nach dem Vorbild Kirnbergers eine Tabelle für "Andreas Werckmeisters I. Temperatur (Num III) 1681/91" mit auf eine Dezimalstelle gerundeten Cent-Zahlen so eingerichtet, dass "sämtliche in einer 12stufigen Oktavteilung möglichen Intervalle ohne weitere Rechnungen sofort ablesbar" sind (Seite 197). Außerdem sind in einer Kopfleiste die Kommaverteilung und die Lage der Quinten mit genauen Cent-Zahlen angeben.

In einer Kopfleiste zur Tabelle auf Seite 194 steht zu den Intervallgrößen dieser Temperatur: "Die Quinten C-G-D-A, H-Fis sind um 1/4 des pythagoreischen Kommas verkleinert (696.090 C). Die übrigen Quinten sind rein.

Damit hat diese Temperatur die charakteristischen Merkmale der "Wohltemperierung"