T 40

Kirnberger  II,  1776

Hans-Joachim Schugk:

Praxis barocker Stimmungen und ihre theoretischen Grundlagen, 1980

Bei Schugk wird, anders als bei Lange (Kirnberger, 2. Fassung, 1771, siehe T 24), der gesamte Überschuss von zwölf reinen Quinten über sieben Oktaven, also das ganze pythagoreische Komma halbiert und nicht das etwas kleinere 81/80-syntonische Komma. Deshalb erübrigt sich hier die Reduzierung einer weiteren Quinte um das Schismaintervall.

Schugk zeigt die Entwicklung von der pythagoreischen Stimmung (mit ungeteilter Kompensierung des pythagoreischen Kommas in einer einzigen Quinte des Quintenzirkels) zur gleichschwebend temperierten Stimmung durch zunehmende Teilung des pythagoreischen Kommas in (zwei, drei ... bis zwölf) gleiche Teile.

Unter der Überschrift: Die Zweiteilung des pythagoreischen Kommas (Seite 43) wird ausgeführt: Mit zwei, jeweils um die Hälfte des pythagoreischen Kommas verminderten Quinten sind diese "zwar noch deutlich verstimmt, aber die zwei entstehenden Wölfe sind >nicht mehr ganz so ausgewachsen<." Die „krasse Dissonanz (bei Kirnberger I, siehe T 01), mit Recht aufs Schärfste abgelehnt“ sollte in der 2.Fassung beseitigt werden.

Schugk beschreibt zwei verschiedene Positionierungen der Kommahälften im Quintenzirkel, eine hat Henricus Grammateus (1518) (siehe T 06), die andere wird bei Kirnberger II realisiert: Die benachbarten Quinten d-a-e sind je um die Hälfte des pythagoreischen Kommas verkleinert. Jede der beiden Quinten d-a und a-e ist um 36/29x21/2 = 1.006798522 oder 11.730 cent verkleinert und somit 690.225 cent groß, die restlichen zehn Quinten bleiben rein.

Manfred Tessmer: Wie war Bachs Wohltemperiertes Clavier gestimmt?, 1994

Auch Tessmer bringt eine "Johann Philipp Kirnbergers 2. Stimmung (1771)" mit einer Intervalltabelle (Seite 198). Die von ihm beschriebene Temperatur ist nicht identisch mit der an dieser Stelle angeführten, sondern mit der von Lange, 1968 (siehe T 24) "Kirnberger, 2. Fassung.

Franz Josef Ratte: Temperierungspraktiken im süddeutschen Orgelbau, 1990

Für die Temperatur "Johann Philipp Kirnberger, 1776" zeigt Ratte außer diversen Intervalltabellen mit auf drei Dezimalstellen genauen Centzahlen ein Quint-Terz-Diagramm "zur graphischen Veranschaulichung von Stimmungssystemen zwecks besserer Vergleichsmöglichkeiten" (Seite 417). Im Textteil wird auf die ungleichstufige "Kirnberger-Temperatur mit nur zwei schwebenden Quinten" verwiesen, für die sich in "Johann Friedrich Christmanns >Elementarbuch der Ton Kunst zum Unterricht beim Klavier<, welches von 1782 - 1789 als >musikalische Monatsschrift< bei Bossler in Speyer im Druck erschien, eine Stimmanweisung findet (Seite 397). In dieser musikalischen Temperatur wird das gesamte pythagoreische Komma je zur Hälfte auf die beiden im Quintenzirkel benachbarten Quinten  d-a  und  a-e  verteilt, die zehn weiteren Quinten bleiben rein. Damit bilden sich die sieben pythagoreischen-Großterzen (81/64) e-gis, h-fis, fis-b, cis-f, gis-c, dis-g und b-d mit je 407.820 Cent und die acht pythagoreichen Kleinterzen (32/27)  cis-e, gis-h, dis-fis, ais-cis/b-des, f-as, c-es, g-b  und  d-f  mit je 294.135 Cent.