T 77

Stimmung  der  Orgelmacher  Wiegleb  um  1790

Wolfgang Theodor Meister: Die Orgelstimmung in Italien und Süddeutschland, 1991

Der Tabelle mit ganzzahligen Centzahlen für alle zwölf Tonstufen (Seite 125) >Geschlossene unregelmäßige Systeme / Stimmung der Orgelmacher Wiegleb um 1790<  folgt bei Meister das Zitat des Originaltextes mit dem Hinweis: "Die Tabelle ist nur eine von vielen möglichen Interpretationen der folgenden Stimmanweisung.

Nach dem Chor tohn ein gestimet c´und die Quint f dieses f muß, ein Wenig hoher sein / ff´oktav Rein/ f´b die (Quint) Rein / b b´octav Rein / b ds´Quint Rein / ds´gs Quind Rein / gs gs´ocdav Rein / gs´cs´Quind Rein / cs´fs Quind Rein / fs fs´octav Rein / fs´ h dieses h kan edwahs hoer sein / h h´ocdav Rein / h´e´dieses e´Kan auch e d was hoher sein / e´a Kan auch e d was Heer das Man es kaum Merck / a a´ocdav Rein a´d´ Quind E d Wahs hoer / d´g Qund g Wird Wiee die fohrig / g g´ ocdav Rewin Sih wärnd / g´ c´ Wie die Beiden vohr Hergenten Hoer / c f Wiert von sich sel(b)sten gud."

Meister gibt in der Tabelle auf Ganze gerundete Centzahlen: das ganze pythagoreische Komma hat 24 Cent, 5/24 pK somit 5 Cent, 1/8 pK hat 3 Cent, 1/12 ist 2 Cent und 1/24 ist 1 Cent. Die in diesem Fall auf vier Dezimalstellen gekürzten Werte sind: (pK) 23.460 cent, (5/24 pK) 4.8875 cent, (1/8 pK) 2.9375 cent, (1/12 pK) 1.9550 cent und (1/24 pK) 0.9775 cent.

Franz Josef Ratte: Temperierungspraktiken im süddeutschen Orgelbau, 1990

Ratte bezieht sich "Das Werkstattbuch der Kurpfälzischen Orgelmacher Wiegleb" (Bernd Sulzmann, Documenta Organologica, Bd 6, Kassel 1983, S.47) (siehe T 55):

„Die ... Stimmanweisung beginnt bei c1 und fährt in absteigenden Quinten fort ... Wiegleb verteilt das pythagoreische Komma auf sieben Quinten. Er verwendet dabei drei verschiedene Formulierungen, so dass man von unterschiedlichen Quint-Qualitäten ausgehen muß: 
 – „ein wenig höher“ (f-c) – „etwas höher“ (c-g-d-a, e-h-fis) – „auch etwa höher, dass man es kaum merkt“ (a-c) Die Quinten f-c und a-e sollen offenbar weniger belastet werden als die übrigen fünf zu temperierenden, damit sich die diatonischen Terzen verbessern ... Für die Quinten, deren Grundton „etwas höher“ sein soll, wurde (im Quint-Terz-Diagramm) die Reduzierung um 1/6 pK angenommen, die beiden übrigen sind um 1/12pK verkürzt“

In folgender Tabelle ist gegenübergestellt, wie von Ratte und Meister diese Stimmanweisung umgesetzt wurde bzw. wie die reinen 3/2-Quinten des Quintenzirkels zu ändern sind:

   RATTE (T 55)   Tonintervall   Stimmanweisung (originale Anweisungen)      MEISTER (T 77)

! minus 1/12 pK  !  f  -  c  !        f muß ein Wenig höher sein          ! minus 1/24 pK !
!  bleibt rein   !  b  -  f  !                   rein                     !  bleibt rein  !
!  bleibt rein   ! es  -  b  !                   rein                     !  bleibt rein  !
!  bleibt rein   ! gis – es  !                   rein                     !  bleibt rein  !
!  bleibt rein   ! cis - gis !                   rein                     !  bleibt rein  !
!  bleibt rein   ! fis - cis !                   rein                     !  bleibt rein  !
! minus 1/6  pK  !  h  - fis !          h kan edwahs hoer sein            ! minus 1/8  pK !
! minus 1/6  pK  !  e  -  h  !       e kan auch ed was hoher sein         ! minus 1/8  pK !
! minus 1/12 pK  !  a  -  e  ! Kan auch ed was Heer das Man es kaum Merck ! minus 1/12 pK !
! minus 1/6  pK  !  d  -  a  !               d Ed Wahs hoer               ! minus 5/24 pK !
! minus 1/6  pK  !  c  -  g  !       Wie die Beiden vohr Hergenten        ! minus 5/24 pK !