T 88

Victor  Ferdinand  Bossart  (zweite  Anweisung)

Bernhard Billeter: Die Orgelstimmung von Victor Ferdinand Bossart, 1997

Von Billeter werden in >Ars Organi - 45.Jhg. - Heft 3 - September 1997< nach eigener Angabe zum ersten Mal zwei Stimmanweisungen veröffentlicht und kommentiert, die ihm aus einem Werkstattbuch des Schweizer Orgelbauers Viktor Ferdinand Bossart zugänglich gemacht wurden: „Das Manuskript ist undatiert und dürfte aus den Jahren vor 1740 stammen, also noch vor Bossarts tiefgreifendem Umbau der Orgel von Thomas Schott in der Klosterkirche Muri, 1630/1744.“ (siehe T 35).

Obwohl aus mancherlei Gründen „genaue Stimmwerte wohl hypothetisch bleiben müssen“ stellt Billeter fest: „Bossart geht von einer mitteltönigen Stimmung im weiteren Sinne aus mit dem Wolf gis-es ... die Terzen c-e, f-a und g-h sollen >besser sein als die anderen, weil sie mehr gebraucht werden<“.

In der "zweiten Anweisung, die wegen fehlender Angaben über die Terzen noch viel hypothetischer festzulegen ist (als die erste), liegen die besten Terzen über f, b und es. Bereits c-e ist etwas schlechter, g-h noch ein wenig." Als „Mutmaßliche Centwerte für Quinten und große Terzen aufwärts“ gibt Billeter auf Seite 176 ganzzahlige Cent-Skalen, welche die Größe der Abweichungen der Tonintervalle von den reinen Intervall-Proportionen nennen.

                 es       b        f        c        g       d        a       e        h      fis    cis      gis

              - 6    - 3    - 6    - 3    - 6    - 3    - 2      0     - 6      0       0    + 11

Der besseren Vergleichbarkeit mit den übrigen musikalischen Temperaturen dieser Studie wegen sind die Änderungen der Tonintervalle als Kommateilungen angegeben und die Centzahlen mit der hier üblichen Genauigkeit.

1.9550 cent (1/12 pK) anstelle von 2 cent,            2.9325 cent (  1/8   pK) anstelle von   3 cent,
5.8650 cent (1/4   pK) anstelle von 6 cent,          10.7525 cent (11/24 pK) anstelle von 11 cent.

Die vollständige Skala mit den erweiterten Zahlen ist:

          gegebene,  erweiterte Zahlen    reine Quinte       Kommateil
  Quinte          Änderung                             

   f - c    696  +  0.0900 =  696.0900   =   701.0550  -  5.8650  ( 1/4  pK)
   b - f    699  +  0.0225 =  699.0225   =   701.9550  -  2.9325  ( 1/8  pK)
  es - b    696  +  0.0900 =  696.0900   =   701.9550  -  5.8650  ( 1/4  pK)
 gis - es   713  -  0.2925 =  712.7075   =   701.9550  + 10.7525  (11/24 pK)
 cis - gis  702  -  0.0450 =  701.9550   =   701.9550 +/-   0.0    --------
 fis - cis  702  -  0.0450 =  701.9550   =   701.9550 +/-   0.0    --------
   h - fis  696  +  0.0900 =  699.0225   =   701.9550  -  5.8650  ( 1/4  pK)
   e - h    702  -  0.0450 =  701.9550   =   701.9550 +/-   0.0    --------
   a - e    700 +/-  0.0   =  700.0000   =   701.9550  -  1.9550  ( 1/12 pK)
   d - a    699  +  0.0225 =  699.0225   =   701.9550  -  2.9325  ( 1/8  pK)
   g - d    696  +  0.0900 =  696.0900   =   701.9550  -  5.8650  ( 1/4  pK)
   c - g    699  +  0.0225 =  699.0225   =   701.9550  -  2.9325  ( 1/8  pK)

Die Fülle von Unklarheiten, Unvollständigkeiten und vermuteten Abschreibefehlern im Manuskript Bossarts lässt bei Billeter die Frage aufkommen, ob es sich wirklich um zwei verschiedene Stimmungen handelt oder ob nur die Stimmschritte verschieden sind.