T 95

Erste  Temperatur  von  Thomas  Young  (1800)

Manfred Tessmer: Wie war Bachs Wohltemperirtes Clavier gestimmt?, 1994

Tessmer erklärt zu seinen Tabellen historischer Stimmungen, dass sie „in ihrer Einrichtung einem Vorbild Kirnbergers“ folgen, der „verwendete dort allerdings ... die damals in der Musiktheorie üblichen Verhältniszahlen (Seite 192). Es sind sämtliche in einer 12-stufigen Oktavteilung möglichen Intervalle ohne weitere Rechnungen sofort ablesbar anhand von Cent-Zahlen mit einer Dezimalstelle.“

In den Kopfzeilen zu der Tabelle „Erste Temperatur von Thomas Young (1880)“ sind die Tonintervalle mit der Angabe der Kommateile, um welche die Quinten des Quintenzirkels zu verändern sind, beschrieben (Seite 200):

"Die Quinten C-G-D-A-E sind um 1/6 des pythagoreischen Kommas verkleinert (696.045 C). Die Quinten B-F-C, E-H-Fis sind um 1/12 des pythagoreischen Kommas verkleinert (700 C). Die übrigen Quinten sind rein."

Die Centzahlen in der Tabelle sind auf eine Dezimalstelle gerundet. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den übrigen musikalischen Temperaturen dieser Studie sind die Centzahlen erweitert angegeben für die Kommateile, um welche die Quintintervalle geändert sind.

Helmut K.H. Lange: Ein Beitrag zur Musikalischen Temperatur, 1968

Unter der Überschrift "Die Young-Stimmung" beschreibt Lange (Seite 494): "Zur Stimmung von Thomas Young, um 1800, ist nicht viel zu sagen, denn sie hat weder historische noch praktische Bedeutung erlangt. Die sechs Quinten C-G-D-A-E-H-Fis sind mit 698.045 Cents je ein Sechstel des pythagoreischen Kommas zu eng. Die restlichen sechs Quinten sind rein."

Von Lange wird eine Temperatur "Die Young-Stimmung" (siehe T 23) so beschrieben, dass wie bei Tessmer in der diatonischen Hälfte des Quintenzirkels das pythagoreische Komma kompensiert wird und in der chromatischen Hälfte die Quinten rein bleiben. Tessmer bezeichnet die von ihm beschriebene Intervallverteilung genauer als Lange mit "erste Temperatur von Thomas Young". Sollte es sich bei Lange um eine Weiterentwicklung seiner "ersten" Temperatur handeln, so sind die Merkmale des "Stimmtyp wohltemperiert" verstärkt und ausgeprägter geworden: Die Zahl der um 1/6 des pythagoreischen Kommas verminderten Quinten ist von vier auf sechs erhöht, somit braucht es nicht die vier gleichstufig-großen Quinten zum Zirkelschluss. Die Tonstufen h und fis sind weiter von der Gleichstufigkeit entfernt.

 

Mit der gesamten Intervallverteilung zeigen Kennlinienverlauf und Profil dieser Temperatur die Merkmale des „Stimmtyp wohltemperiert“.

Franz Josef Ratte: Temperierungspraktiken im süddeutschen Orgelbau, 1990

Bei der Temperatur des „Francesco Antonio Valotti, 1754“ (siehe T 54) werden die sechs Quinten f bis h in der diatonischen Hälfte um je 1/6 des pythagoreischen Kommas gemindert, die „Temperatur Th.Young, 1800“ ist demnach eine Modifikation (Quinten b-f-c und e-h-fis).