T 96

Stimmung  der  Silbermann - Orgel  i m  Freiberger  Dom  (1985)

Manfred Tessmer (1994) erklärt zu seinen Tabellen historischer Stimmungen, dass sie „in ihrer Einrichtung einem Vorbild Kirnbergers“ folgen, der „verwendete dort allerdings ... die damals in der Musiktheorie üblichen Verhältniszahlen (Seite 192). Es sind sämtliche in einer 12-stufigen Oktavteilung möglichen Intervalle ohne weitere Rechnungen sofort ablesbar anhand von Cent-Zahlen mit einer Dezimalstelle.

In den Kopfzeilen zur Tabelle „Stimmung der Silbermann-Orgel im Freiberger Dom (1985) ist vermerkt (Seite 201):

„Gestützt auf eine Umfrage bei Gastorganisten (besonders zur Spielbarkeit Bachscher Orgelmusik) und die Meinung des zuständigen Sachbearbeiters Christoph Schwarzenberg wurde die Orgel 1985 nochmals umtemporiert.“ (Frank-Harald Greß, Die Klanggestalt der Orgeln Gottfried Silbermanns, Leipzig 1989, S.119)

Mit diesen Angaben ist die Intervallverteilung für die Stimmung der Gabler-Orgel in Weingarten für mikrotonale Vergleiche unzureichend beschrieben. Messungen von Tonfrequenzen an bestehenden Instrumenten sind in der Regel nicht so genau wie Vorgaben aus theoretischen Temperatur-Modellen.

Um eine Vergleichbarkeit der vorgefundenen Stimmung mit den anderen in dieser Studie vorgestellten musikalischen Temperaturen zu erleichtern, ist wie bei diesen eine Verteilung des pythagoreischen Kommas im Quintenzirkel notiert, aus der heraus die Skalen berechnet wurden und die auf ganze Cent in Tessmers Tabelle gerundeten Zahlen sind erweitert angegeben zur Beschreibung der Kommateile, um welche die Intervalle geändert sind. Dabei sind die Quotienten ganz genau, die Centwerte, Dezimal- und Frequenzzahlen gerundet: Es wurde darauf geachtet, dass dabei die Kommateilung übersichtlich blieb.

Zunächst die Feststellung der Quintengrößen (Zahlen in Cent):

         gegebene Zahlen  Quinte   Rück-
                                 oktavierung

               (f)   500 + 700 - 1200 =    0  (c)
               (b)  1000 + 700 - 1200 =  500  (f)
             (dis)   298 + 702        = 1000  (b)
             (gis)   790 + 708 - 1200 =  298  (dis)
             (cis)    90 + 700        =  790  (gis)
             (fis)   590 + 700 - 1200 =   90  (cis)
               (h)  1092 + 698 - 1200 =  590  (fis)
               (e)   394 + 698        = 1092  (h)
               (a)   896 + 698 - 1200 =  394  (e)
               (d)   196 + 700        =  896  (a)
               (g)   698 + 698 - 1200 =  196  (d)
               (c)     0 + 698        =  698  (g)

Bei der Erweiterung der gegebenen Zahlen zu Kommateilen, mit welchen die Skalen berechnet sind, wurde darauf geachtet, dass dabei die Kommateilung übersichtlich blieb. Für die zwölf im Quintenzirkel aufeinander folgenden Quinten folgt daraus (Zahlen in cent):

 

 

       gegebene       erweiterte Zahlen   reine Quinte  Kommateil
         Quinte  Änderung

   f - c    700  +/-  0   = 700.000   =   701.055  -  1.955  (1/12 pK)
   b - f    700  +/-  0   = 700.000   =   701.955  -  1.955  (3/16 pK)
  es - b    702 - 0.045   = 701.955   =   701.955 +/- 0.000  (1/12 pK)
 gis - es   708 - 0.180   = 707.820   =   701.955  +  5.865  (1/4  pK)
 cis - gis  700  +/-  0   = 700.000   =   701.955  -  1.955  (1/12 pK)
 fis - cis  700  +/-  0   = 700.000   =   701.955  -  1.955  (1/12 pK)
   h - fis  698 + 0.045   = 698.045   =   701.955  -  3.910  (1/6  pK)
   e - h    698 + 0.045   = 698.045   =   701.955  -  3.910  (1/6  pK)
   a - e    698 + 0.045   = 698.045   =   701.955  -  3.910  (1/6  pK)
   d - a    700  +/-  0   = 700.000   =   701.955  -  1.955  (1/12 pK)
   g - d    698 + 0.045   = 698.045   =   701.955  -  3.910  (1/6  pK)
   c - g    698 + 0.045   = 698.045   =   701.955  -  3.910  (1/6  pK)

Die Zahlen in der Tabelle sind auf ganze Cent gerundet. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den übrigen musikalischen Temperaturen dieser Studie sind die Centzahlen erweitert angegeben für die Kommateile, um welche die Intervalle geändert sind.

Schwarzenberg, Wegscheider: Die große Silbermann-Orgel im Dom zu Freiberg, 1999

Schwarzenberg/wegscheider (1999) beschreiben die im September 1983 nach dem Vorschlag der Orgelbauer vom 31. Oktober 1982 probeweise gestimmte Orgel als >Silbermann-Sorge-Temperatur (modifiziert)< (siehe T 83) und bringen zum Vergleich zu anderen Stimmungsarten mit der Temperierung der Silbermann-Orgel im Freiberger Dom die Skala "Freiberg 1985" unter "4.F 1985".

Im Text dazu heißt es auf Seite A5: „Im September 1983 wurde die Orgel probeweise nach dem Vorschlag der Orgelbauer vom 31. Oktober 1982 - >Silbermann-Sorge-Temperatur (modifiziert)< genannt - gestimmt. Dieser Vorschlag bezieht sich auf die Beschreibung, nicht auf die Tabelle der Silbermann-Temperatur durch G.A. Sorge. Der Beschreibung Sorges zufolge, dass die 11 Quinten >wo nicht alle, jedoch die meisten zuviel abwärts schweben<, wurden drei unterschiedliche Quintwerte angewandt: um 3/12, 2/12 und 1/12 pythagoreisches Komma engere Quinten (696, 698 und 700 Cent).“

Unerwähnt bleibt, dass es nach einer Folge von Quinten, die alle kleiner oder gleich der „gleichstufig-großen Quinte mit 700 Cent“ sind (siehe T 31), eine Ausgleichsquinte geben muss. Nach den in der Tabelle gegebenen Zahlen liegt diese hier bei die gis-es und ist 714 Cent groß (die genauen Cent-Zahlen für alle Quinten, berechnet nach der Angabe 3/12 = 1/4, 2/12 = 1/6 und 1/12 des pythagoreischen Kommas, sind im Tabellenteil dieser Studie zu finden).
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Mit der Umstimmung des Instrumentes ist 1985 das Maß der Überschwebung in der 1983 verwendeten gis-es-Quinte und damit das charakteristisches Merkmal des „Stimmtyp mitteltönig“ deutlich gemildert worden. Darüber hinaus ist insgesamt (vergleiche die >Kennlinien 2< von T 83 und T 96) der Stimmtyp von „mitteltönig“ in Richtung „wohltemperiert“ verschoben worden, das erklärt die bessere „Spielbarkeit Bachscher Orgelmusik“.