T 120

Johannes  von  Lublin,  1540  (Interpretation)

Ratte, Seite 255: „Die mit 520 Seiten umfangreichste Orgeltabulatur des 16. Jh. wurde in den Jahren 1537 bis 1548 in Krasnik (bei Lublin) geschrieben ... Die Temperatur des Verfassers Johannes von Lublin (ist das Ergebnis) einer praktischen Stimmanweisung >für Orgel< für eine unregelmäßige Temperatur mit zwei temperierten Quinten (f-c und g.d) und zwei Wolfsquinten (fis-cis und gis-dis)“.

Johannes von Lublin stimmt sieben reine Quinten und zwei reine Terzen ein:

Das Stimmschema beginnt mit einer Quintenfolge, ausgehend von der Quinte f-c im Quintenzirkel aufsteigend bis h-fis. Für die beiden Quinten f-c und g-d wird „eine geringe Verschiebung (modicum imperfecta)“ verlangt, deren Wert etwa 7 Cent sein soll, damit sie „neben den reinen Terzen a-cis und e-gis weitere harmonisch brauchbare Terzen einbringt, ohne daß dabei die beiden temperierten Quinten unbrauchbar werden, eine geringere Temperierung der Quinten hätte eine zu große Schärfung der häufig gebrauchten Terzen c-e und g-h zur Folge“.

Nach der Einstimmung der beiden reinen Quinten unter f werden mittels der reinen 5/4-Terzen von a bzw. e aus die Tonstufen cis und gis erreicht, welche zu den bereits eingestimmten Tonstufen fis und es die beiden Wolfsquinten im Quintenzirkel bilden.

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Zur Temperatur Johannes von Lublin ließen sich in der musiktheoretischen Literatur drei Versionen finden:

Außer Franz Josef Ratte hat sich auch Sebastian Adamczyk auf dieselbe in lateinischer Sprache gehaltenen Stimmanweisung berufen, er interpretiert den von Johannes von Lublin verwendeten Begriff „tertia perfecta acuta“ anders als Ratte: Daraus folgen nicht nur andere Quintengrößen im Quintenzirkel und eine andere Intervallverteilung, die beiden Temperaturen gehören zu verschiedenen „Stimmtypen“-Gruppen.

Auf einen Beitrag des Autors in der internationalen Zeitschrift für das Orgelwesen ARS ORGANI, herausgegeben von der Gesellschaft der Orgelfreunde e.V. sei an dieser Stelle hingewiesen: „Eine Stimmanweisung – zwei Meinungen, oder: Was bedeutet >tertia perfecta acuta?< in ARS ORGANI, Heft 2, Juni 2004, Seite 104 und auf die Ausführungen unter „ >bunte Stimmung<, T 140“ mit Text (Seite 135f) und Tabellen (Seiten 190 und 191) in „128 musikalische Temperaturen im mikrotonalen Vergleich, Teil 3: Nachtrag“. (ISBN 978-3-86805-993-9)

Von diesen beide unterscheiden sich wesentlich die Centwerte der Tonintervalle, die ohne Nennung einer Quelle in einer „Tabellensammlung Edwin Meier“: „Historische Temperaturen, 2000“ für „,Lublin, Johannes von (Lubliyn 1540)“ gegeben wurden.
(©Verlag Marc Vogel, Postfach 1245, D-79795 Jestetten)

Die Version Edwin Meier ist unter „T 151“ mit Text (Seite 144) und Tabellen (Seiten 212 und 213) beschrieben in „128 musikalische Temperaturen im mikrotonalen Vergleich, Teil 3: Nachtrag“. (ISBN 978-3-86805-993-9)