T 45
Arnolt Schlick, 1511
Hans-Joachim Schugk:
Praxis barocker Stimmungen und ihre theoretischen Grundlagen, 1980
Schugk im Kapitel „Die mitteltönigen Stimmungen“:
„Die Fünfteilung: Schlick (1511) H. Lange hat diese Stimmung rekonstruiert“:
Grundlage für die Definition der Quint-Intervalle ist das pythagoreische
Kommas. Da Franz Josef Ratte ausschließlich die Teilung des syntonischen
Kommas berücksichtigt, kommt diese Temperatur allerdings nicht vor in seiner
„Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten einer regelmäßigen Temperatur“
(Die Temperatur der Clavierinstrumente, 1991, Seite 160). Für die Temperatur
„Schlick, 1511“ nennt Schugk die Quintengrößen (Seite 59):
„11 um 1/5 Pyth. Komma unterschw. Quinten“ und die „+ 6/5 überschw.“-Quinte
DES-AS. Diese Aufteilung des Pyth.Kommas ist im Charakter eine Methode der
Mitteltönigkeit.“
Quintenverminderungen um jeweils 1/5 des
pythagoreischen Kommas (4.692 Cent) gelten als musikalisch tolerabel. Eine
Ausgleichsquinte, bei der die reine 3/2-Quinte um 28.152 Cent, also mehr als
einviertel eines gleichstufigen Halbtonschritt vergrößert werden muss, ist
diese Toleranz weit überschritten: Dieses Tonintervall gilt als musikalisch
unbrauchbar.
Bei den Terzen ergeben sich ebenfalls Differenzen:
Zu der reinen 5/4-Großterz mit 386.314 Cent sind acht Terzen der
1/5-pK-Temperatur mit je 389.052 Cent im Toleranzbereich (c-e, g-h, d-fis,
a-cis, gis-c, es-g, b-d und f-a), die restlichen vier Terzen mit je 421.896
Cent liegen weit außerhalb (e-gis, h-es, fis-b und cis-f),
zu der reinen 6/5-Kleinterz mit 315.641 Cent sind die neun Terzen mit je
308.211 Cent im Toleranzgrenzbereich (e-g, h-d, fis-a, cis-e, f-gis, c-es, g-b,
d-f und a-c), die restlichen drei Terzen mit je 275.367 Cent liegen weit
außerhalb (cis-h, es-fis und b-cis).
In der chromatischen Folge bilden die Differenzen (in Cent) der Werte der einzelnen
Tonstufen zu den Stufen der Gleichstufigkeit einfache kleine
Zahlenverhältnisse, in diesem Fall zum Tonintervall 16.422 Cent. Sie sind ganze
Vielfache vom Sechstel der Abweichung der Tritonus-Tonstufe fis/ges, in den
„Kennlinien 2“ führt dieses zu dem für Mitteltönigkeit charakteristischen
sägezahnartigen Linienverlauf:
1086.315 ( h
- T 045) minus 1100 cent ( h - T 31) = -5/6 von 16.422 cent
1005.474.( b
- T 045) minus 1000 cent ( b - T 31) = +2/6 von 16.422 cent
891.789 ( a
- T 045) minus 900 cent ( a -
T 31) = -3/6 von 16.422 cent
810.948 (gis – T 045) minus 800 cent (gis - T 31)
= +4/6 von 16.422 cent
697.263 ( g
- T 045) minus 700 cent ( g -
T 31) = -1/6 von 16.422 cent
583.578 (fis – T 045) minus 600 cent (fis - T 31) = -6/6 von 16.422 cent
502.737 ( f
- T 045) minus 500 cent ( f -
T 31) = +1/6 von 16.422 cent
389.052 ( e
- T 045) minus 400 cent ( e -
T 31) = -4/6 von 16.422 cent
308.211 ( es – T 045) minus 300 cent ( es - T 31) = +3/6 von 16.422 cent
194.526 ( d
- T 045) minus 200 cent ( d -
T 31) = -2/6 von 16.422 cent
80.841 (cis – T 045) minus 100 cent (cis - T 31)
= -7/6 von 16.422 cent
Manfred Tessmer: Wie war Bachs Wohltemperirtes
Clavier gestimmt? 1994
In einer Kopfzeile zu der Tabelle
"Temperatur von Arnolt Schlick (1511) nach Tessmer" ist angegeben:
"Die Großen Terzen sind >nitt gut, sonder alle zu hoch<
Die Terzen C-E, F-A, G-H sind >besser ... dann die andern<
Die Quinten Cis–Gis und Gis–Dis sind >nicht gut sonder schwebent in die höch gezogen< Die folgende
Tabelle gibt eine von mehreren hypothetischen Möglichkeiten wieder.“ (siehe T 92)
Wolfgang Theodor Meister: Die Orgelstimmung in
Italien und Süddeutschland, 1991
„Zur Terminologie“ unterscheidet Meister „Offene Temperaturen“ (>Wolfsquinten< enthaltend) und „geschlossene Temperaturen“ (keine >Wolfsquinten enthaltend), beide mit den Untersystemen „regelmäßige“, „halbregelmäßige“ und „unregelmäßige“ Stimmungen. Wegen der gleichmäßigen Verteilung der Quintenverkleinerungen auf elf Quinten des Quintenzirkels - die zwölfte ist die Ausgleichsquinte - zählt die 3/11-sK-Temperatur nach der Terminologie von Meister zu den "offenen regelmäßigen Temperaturen": „Offene Regelmäßige oder reguläre Systeme enthalten neben einer oder zwei Wolfsquinten zehn oder elf gleiche Quinten (z.B. alle mitteltönigen Stimmungen)". (Seite 14)
Zu vergleichen ist diese Temperatur, der nach den Angaben von Schugk für die Quintkette gis/as-cis die Fünfteilung des pythagoreischen Kommas zugrunde liegt (1/5 pK – 4.692 cent), mit der von Meister beschriebenen „homogenen Mitteltönigkeit“ (siehe T 61), in welcher die elf Quinten der Kette es-gis um jeweils 1/5 des syntonischen Kommas (4.301 cent) vermindert sind.
Die von Lange mit genauen Cent-Zahlen beschriebene Temperatur „Arnolt Schlick, 1511“ (siehe T 28) hat im Gegensatz zu den beiden genannten Temperaturen nicht nur eine andere Quintreduzierung (3/16 sK – 4.032 cent), es ist auch noch der zum Zirkelschluß notwendige überschwebende Ausgleich auf zwei benachbarte Quinten cis-gis und gis-es verteilt.Schugk vergleicht „Die Fünfteilung: Schlick 1511“ mit „Die Sechsteilung: Silbermann“ (siehe T63), welche mit ihrer Intervallverteilung eher der von Ratte beschriebenen unregelmäßigeren Temperatur „Arnolt Schlick, 1511“ (siehe T 49) ähnlich ist.
Helmut K.H. Lange:
Ein Beitrag zur Musikalischen Temperatur der Musikinstrumente, 1968
Unter der Überschrift „Die Schlick-Stimmung" beschreibt Lange (Seite 491) im Anschluß an eine von ihm für falsch angesehene Meinung Kelletats, welcher eine Sechstel/Zwölftel-Teilung des pythagoreischen Kommas für angemessen hält, wie sich "das Ergebnis dieser (seiner) Temperaturaufstellung deckt sich ... mit Schlicks ausführlichen Beschreibungen: zehn gleiche Quinten; die elfte Quinte As-Es wird um denselben Betrag zu weit, um den die anderen zehn zu eng sind; die zwölfte Quinte Des-As ist der Schlicksche Wolf, ein recht zahmer allerdings im Vergleich zu anderen Temperaturen.“ Lange liefert zu dieser Textbeschreibung eine Tabelle mit auf drei Dezimalzahlen genauen Centwerten (siehe T 28).