T 49

Arnolt  Schlick,  1511

Franz Josef Ratte: Temperierungspraktiken im süddeutschen Orgelbau, 1990

"Schlick verlangt keine reinen Terzen, so daß er mit einer geringeren Temperierung der Quinten auskommt. Die Terzen auf c, f und g behandelt er bevorzugt. Die Halbtontaste zwischen g und a stimmt er als vergrößerte Unterquinte zu es, also als as, so ein, daß sie auch als Oberterz zu e verwendet werden kann. Für die Kadenz nach a empfiehlt er, die >hertickeit< der Terz e-gis (sie nimmt mit 408 Cent den pythagoreischen Wert an) durch eine Verzierung in ihrer Schärfe zu mildern.

Für die bei Schlick beschriebene Art der Einstimmung von gis/as gibt es im 16.Jahrhundert mehrere Belege ..., so daß man annehmen kann, daß sie weit verbreitet war." (Seite 389)

Er zeigt für die Temperatur "Arnolt Schlick, 1511" außer diversen Intervalltabellen ein Quint-Terz-Diagramm "zur graphischen Veranschaulichung von Stimmungssystemen zwecks besserer Vergleichsmöglichkeiten". Die Intervalltabelle (Seite 411) gibt alle Werte in ganzen Centzahlen an.

"Die von Schlick beabsichtigte Stimmung, die in der Mitte zwischen mitteltöniger und gleichstufiger Temperatur liegt, exakt zu rekonstruieren, ist unmöglich ... Da Schlick keine genauen Angaben über die Größe der zu temperierenden Quinten macht (in >praktische Stimmanweisung für Orgel< mit 14 Stimmschritten, d.Verf.), führte seine ... Stimmanweisung ... zu einer Fülle verschiedener Interpretationen ... " (Seite 247)

Eine dieser Möglichkeiten stellt Ratte unter der Überschrift "Arnolt Schlick, 1511" außer einer Intervalltabelle mit einem Quint-Terz-Diagramm "zur graphischen Veranschaulichung von Stimmungssystemen zwecks besserer Vergleichsmöglichkeiten" vor. Die auf Ganze gerundeten Cent-Zahlen begründet er damit, daß "Schlick keine genauen Angaben über die Größe der zu temperierenden Quinten macht", was "zu einer Fülle verschiedener Interpretationen (führt), von denen nur wenige zu brauchbaren, dem Text an keiner Stelle widersprechenden Lösungen kamen".

Die auf Ganze gerundeten Centzahlen sind der Kommateilung 1/6 und 1/12 pK entsprechend erweitert. Der gleich im Anschluß an diese Stelle aufgestellten Schlußfolgerung Rattes: "Mit Sicherheit kann für Schlick die mitteltönige Temperatur ausgeschlossen werden ..." kann nach den Ergebnissen der hier vorgestellten Studie nicht gefolgt werden. Im Gegenteil: Sowohl die "Kennlinie" dieser Temperatur. welche die Quintenverteilung anschaulich macht, wie auch das "Profil" zeigen eindeutig die Charakteristika der Mitteltönigkeit dieser "Schlickschen Stimmung von 1511": die Verminderung der Quinten im Quintenzirkel bis auf die mit 711.730 cent und 703.910 cent überschwebenden benachbarten Quinten cis/des - gis/as - dis/es, auf die der Wolf verteilt ist!

Durch Addition der Zahlen für die Halbtonintervalle ist die komplette Skala der Quinten errechnet. Zum besseren Vergleich der Skala mit den übrigen in dieser Studie ist dieser Skala die Verteilung des pythagoreischen Kommas zugeordnet worden.          

 

 

 

        gegebene       erweiterte Zahlen   -  reine Quinte  -    Kommateil

 

  f–c     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

  b–f     700    +/–    0.0   =   700.000   =   701.955   -  1.955  ( 1/12 pK)

 es–b     698     +    0.045  =   698,045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

gis–es    704         0.090  =   703.910   =   701.955   +  1.955  ( 1/12 pK)

cis–gis   712     -    0.270  =   711.730   =   701.955   +  9.775  ( 5/12 pK)

fis–cis   698     +    0.045  =   698.045   =   701.955   -  3.910  ( 1/6  pK)

  h–fis   700    +/-    0.0   =   700.000   =   701.955     1.955  ( 1/12 pK)

  e–h     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

  a–e     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

  d–a     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

  g–d     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

  c–g     698     +    0.045  =   698.045   =   701.955     3.910  ( 1/6  pK)

 

Auch wenn in diesem Fall der zum Zirkelschluss notwendige Ausgleich in den Größen der  Intervalle mit der Verteilung des pythagoreischen Kommas mit den beiden benachbarten Quinten fis-cis-gisgeschieht ist bei der Temperatur „Arnolt Schlick, 1511“ nach den Angaben Rattes zwar ungleichmäßiger aber dennoch vergleichbar mit der „abgestuft-homogenen Mitteltönigkeit“ (siehe T 62) und der „1/6-pK-Mitteltönigkeit  -  Silbermann-Stimmung“ (siehe T 63). Die Verteilung des beim „Stimmtyp mitteltönig“ auszugleichenden Tonintervalles auf zwei benachbarte Quinten führt in Kennlinie 2 zur „Schlickschen Rundung“